Wie sich die Sichtweise so im Laufe der Zeit verändert...
Verfasst: Sa Jul 07, 2012 3:37 pm
Heute kam es mir gerade so in den Sinn, wie sehr sich meine Sichtweise doch verändert hat, seit ich hierher ausgewandert bin. Ich kam mit großen Illusionen hier an, auch mit viel Idealismus und dem Willen, Ärmeren und Schwächeren zu helfen. Nun, nach ein paar Jahren, hat mir die Realität doch einiges vor allem von diesen naiven Vorstellungen abgewöhnt.
Beispielsweise sind die Gärten der Häuser hier ziemlich groß, und wenn man einen anstrengenden und zeitaufreibenden Beruf hat wie ich, braucht man jemand, der den Garten pflegt. Dafür braucht man nicht unbedingt eine Ausbildung, das ist hier in Namibia ein typischer Job für Ungelernte. Und davon gibt es viele. Sie sitzen jeden Tag zu Hunderten an den Straßenecken von Windhoek und warten auf eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ich sage absichtlich nicht: Sie warten auf eine Möglichkeit zu arbeiten. Denn das sind hier zwei verschiedene Dinge für die schwarzen Einheimischen. Die meisten Weißen haben Geld, und deshalb können sie ja ruhig etwas abgeben. Schließlich arbeiten Weiße grundsätzlich nicht für ihr Geld, die sitzen den ganzen Tag nur rum und machen sich eine schöne Zeit.
Aber wir waren am Anfang ja guten Willens und kannten die Einstellung vieler Menschen hier nicht (es gibt natürlich, wie immer, auch Ausnahmen). Wir gingen davon aus, da gibt es jemand, der sucht einen Job, also geben wir ihm einen.
Das Ergebnis war dann folgendes: Wir hatten zwei Fahrräder, Mountain Bikes, aus Deutschland mitgebracht. Schon nach kurzer Zeit war das erste dieser nicht billigen Räder zusammen mit unserem "garden boy" (das ist die allgemeine Bezeichnung hier, auch wenn die Männer oft schon älter sind) verschwunden. Er hatte den Schlüssel zur Garage, in der die Räder standen, weil dort auch die Gartengeräte standen.
1. Lektion: Gib niemals einem Gartenarbeiter einen Schlüssel zu irgendwas.
Aber wir waren einfach noch nicht schlau genug. Die nächste Lektion folgte auf dem Fuße. Unser nächster "Gartengestalter" (das ist mehr als ironisch gemeint, man kann nämlich meistens froh sein, wenn sie überhaupt den Rasen mähen) hatte ein uraltes Handy, das er immer auflud, wenn er bei uns arbeitete, aber es war offensichtlich, dass der Akku nicht mehr lange hielt. Und das Gerät war wirklich schon sehr alt und mitgenommen. Eines Tages kam er mit einem Prospekt von MTC an, dem hiesigen Mobilfunkanbieter, und zeigte uns die Handys, die man dort erstehen konnte. Er hatte sich auch schon eins ausgesucht. So ungefähr das teuerste.
Das konnte er sich natürlich nicht leisten. Und MTC gab es ihm auch nicht auf Kredit, weil er ja keine Festanstellung hatte. Die Arbeit als "garden boy" galt nicht als solche. Wir dachten in unserer Gutmütigkeit: Na ja, bisher hat er ganz gut gearbeitet (wir hatten unsere Ansprüche da nach kurzer Zeit schon heruntergeschraubt), kaufen wir das Handy für ihn, und er kann es dann an uns abzahlen. Nun ja, vermutlich ist schon klar, wie das geendet hat: Kaum hatte er das Handy, kam er nicht mehr zur Arbeit.
2. Lektion: Gib niemals, absolut niemals!, jemand Geld oder Geschenke im voraus. Erst nach der Arbeit oder wenn er sich das Geld angespart hat.
Aber da wir die Gutmütigkeit in Person sind, haben wir es dann mit dem nächsten Gartenpfleger noch einmal versucht, unsere naiven Vorstellungen zu bestätigen. Mittlerweile stand das zweite Fahrrad, das wir mitgebracht hatten, nur herum und nahm Platz weg, weil Fahrradfahren hier kaum möglich ist, wenn man nicht das Risiko eingehen will, überfahren oder überfallen zu werden.
Unser damals aktueller Gartenarbeiter hatte kein Geld, es war für ihn immer schwierig, von seinem Wohnplatz in Katutura in die Stadt zur Arbeit zu kommen. Also stellten wir ihm in Aussicht, er könnte das zweite Fahrrad haben, wenn er sich genügend Geld dafür erarbeitet hat. Natürlich haben wir als Preis nur einen Bruchteil dessen angesetzt, was wir für das Fahrrad bezahlt hatten.
Er war ganz begeistert, drängte dann aber darauf, das Fahrrad sofort mitnehmen zu können. Ein paar Wochen haben wir standgehalten und unserem guten Willen getrotzt, aber dann war es wieder dasselbe wie mit dem Handy. Er hatte noch nicht genug Geld gespart, aber wir haben ihm das Fahrrad trotzdem gegeben. Konnte man ja nicht mitansehen, wie der arme Junge immer zu Fuß gehen musste.
Das nächste, was wir hörten, war, dass er im Gefängnis ist, weil er sich mit jemand anderem so geprügelt hat, dass er sogar für eine Weile im Krankenhaus lag, weil sie sich gegenseitig Pflastersteine an den Kopf geworfen hatten. Besoffen natürlich, denn die meisten dieser Männer leben praktisch im "Shebeen", der hiesigen Saufkneipe.
Unnötig zu sagen, dass wir weder "garden boy" noch Fahrrad je wiedergesehen haben.
Und so geht es eigentlich immer weiter. Reicht man den kleinen Finger, wird am liebsten gleich der ganze Arm abgerissen. Letztes Beispiel: Unsere Maid, die still und heimlich alles Mögliche hat mitgehen lassen, während sie jahrelang bei uns gearbeitet hat, von Klobürsten über DVDs bis zu einer Videokamera. Sie hat bei uns mehr verdient als sonst jeder andere zahlt, sie hatte bequeme Arbeitszeiten, bequeme Arbeitsbedingungen, Sozialversicherung (eine Ausnahme für "Domestic Worker". Die meisten Arbeitgeber sind nicht so großzügig), Essen, Kredite, sobald sie Geld brauchte, ob nun für die Beerdigung ihres Freundes oder das Schulgeld ihrer Kinder. Durch uns hatte sie TV, Kühlschrank, ein eigenes Haus, jegliche Sicherheit.
Aber das bedeutet alles nichts. Die Weißen haben's ja, also nehmen wir es doch. Dass sie dadurch ihren eigenen Job zerstören, ihr eigenes Leben, das kommt ihnen nicht in den Sinn. Oder dass es vielleicht besser ist, einen Arbeitgeber zu haben, der einem vertraut. Von dem man immer wieder profitieren kann, weil er nett ist und einen unterstützt, auch wenn es über den reinen Verdienst hinausgeht.
Jedenfalls haben wir jetzt beschlossen, keine Hausangestellten mehr zu haben, das ist einfach zu viel Stress und auf die Dauer zu teuer, auch wenn sie pro Stunde wesentlich weniger verdienen als in Europa. Man weiß nie, was noch an seinem Platz ist, die Arbeit ist auch eher nebensächlich. Man kann ein Haus oder einen Garten auch dreckig und ungepflegt hinterlassen, Dinge zerstören, ob man nun einfach einen Rosenbusch herausreißt oder eine teure Vase zerdeppert, der Arbeitgeber ist ja so dumm und bezahlt einen trotzdem.
Ich weiß nicht, woher diese Einstellung kommt, aber sie trägt sehr zur Arbeitslosigkeit in diesem Land bei. Das Allertollste haben wir kürzlich mit unserem letzten "garden boy" erlebt. Obwohl wir ihn außergewöhnlich gut bezahlt hatten, stand er plötzlich mit der Polizei bei uns vor der Tür und wollte, dass wir ihm ein Auto kaufen. Selbst die Polizei hat darüber gelacht, aber da er ihnen erzählt hatte, wir hätten ihn nicht für seine Arbeit bezahlt und da er sehr penetrant sein kann, sind sie dann doch gekommen.
Wenn man jedoch so etwas erlebt, fragt man sich, ob solchen Menschen überhaupt zu helfen ist. Und dann kommt einem wieder in den Sinn, wie viel Entwicklungshilfe in Länder wie Namibia fließt und wie wenig das nützt.
Es ist wirklich schade. Man könnte so viel tun. Aber nach solchen Erfahrungen sind viele dann abgeschreckt. Ich kümmere mich jetzt nur noch um Kinder, weil bei ihnen eventuell eine Chance besteht, dass sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen können. Das hoffe ich zumindest.
Beispielsweise sind die Gärten der Häuser hier ziemlich groß, und wenn man einen anstrengenden und zeitaufreibenden Beruf hat wie ich, braucht man jemand, der den Garten pflegt. Dafür braucht man nicht unbedingt eine Ausbildung, das ist hier in Namibia ein typischer Job für Ungelernte. Und davon gibt es viele. Sie sitzen jeden Tag zu Hunderten an den Straßenecken von Windhoek und warten auf eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ich sage absichtlich nicht: Sie warten auf eine Möglichkeit zu arbeiten. Denn das sind hier zwei verschiedene Dinge für die schwarzen Einheimischen. Die meisten Weißen haben Geld, und deshalb können sie ja ruhig etwas abgeben. Schließlich arbeiten Weiße grundsätzlich nicht für ihr Geld, die sitzen den ganzen Tag nur rum und machen sich eine schöne Zeit.
Aber wir waren am Anfang ja guten Willens und kannten die Einstellung vieler Menschen hier nicht (es gibt natürlich, wie immer, auch Ausnahmen). Wir gingen davon aus, da gibt es jemand, der sucht einen Job, also geben wir ihm einen.
Das Ergebnis war dann folgendes: Wir hatten zwei Fahrräder, Mountain Bikes, aus Deutschland mitgebracht. Schon nach kurzer Zeit war das erste dieser nicht billigen Räder zusammen mit unserem "garden boy" (das ist die allgemeine Bezeichnung hier, auch wenn die Männer oft schon älter sind) verschwunden. Er hatte den Schlüssel zur Garage, in der die Räder standen, weil dort auch die Gartengeräte standen.
1. Lektion: Gib niemals einem Gartenarbeiter einen Schlüssel zu irgendwas.
Aber wir waren einfach noch nicht schlau genug. Die nächste Lektion folgte auf dem Fuße. Unser nächster "Gartengestalter" (das ist mehr als ironisch gemeint, man kann nämlich meistens froh sein, wenn sie überhaupt den Rasen mähen) hatte ein uraltes Handy, das er immer auflud, wenn er bei uns arbeitete, aber es war offensichtlich, dass der Akku nicht mehr lange hielt. Und das Gerät war wirklich schon sehr alt und mitgenommen. Eines Tages kam er mit einem Prospekt von MTC an, dem hiesigen Mobilfunkanbieter, und zeigte uns die Handys, die man dort erstehen konnte. Er hatte sich auch schon eins ausgesucht. So ungefähr das teuerste.
Das konnte er sich natürlich nicht leisten. Und MTC gab es ihm auch nicht auf Kredit, weil er ja keine Festanstellung hatte. Die Arbeit als "garden boy" galt nicht als solche. Wir dachten in unserer Gutmütigkeit: Na ja, bisher hat er ganz gut gearbeitet (wir hatten unsere Ansprüche da nach kurzer Zeit schon heruntergeschraubt), kaufen wir das Handy für ihn, und er kann es dann an uns abzahlen. Nun ja, vermutlich ist schon klar, wie das geendet hat: Kaum hatte er das Handy, kam er nicht mehr zur Arbeit.
2. Lektion: Gib niemals, absolut niemals!, jemand Geld oder Geschenke im voraus. Erst nach der Arbeit oder wenn er sich das Geld angespart hat.
Aber da wir die Gutmütigkeit in Person sind, haben wir es dann mit dem nächsten Gartenpfleger noch einmal versucht, unsere naiven Vorstellungen zu bestätigen. Mittlerweile stand das zweite Fahrrad, das wir mitgebracht hatten, nur herum und nahm Platz weg, weil Fahrradfahren hier kaum möglich ist, wenn man nicht das Risiko eingehen will, überfahren oder überfallen zu werden.
Unser damals aktueller Gartenarbeiter hatte kein Geld, es war für ihn immer schwierig, von seinem Wohnplatz in Katutura in die Stadt zur Arbeit zu kommen. Also stellten wir ihm in Aussicht, er könnte das zweite Fahrrad haben, wenn er sich genügend Geld dafür erarbeitet hat. Natürlich haben wir als Preis nur einen Bruchteil dessen angesetzt, was wir für das Fahrrad bezahlt hatten.
Er war ganz begeistert, drängte dann aber darauf, das Fahrrad sofort mitnehmen zu können. Ein paar Wochen haben wir standgehalten und unserem guten Willen getrotzt, aber dann war es wieder dasselbe wie mit dem Handy. Er hatte noch nicht genug Geld gespart, aber wir haben ihm das Fahrrad trotzdem gegeben. Konnte man ja nicht mitansehen, wie der arme Junge immer zu Fuß gehen musste.
Das nächste, was wir hörten, war, dass er im Gefängnis ist, weil er sich mit jemand anderem so geprügelt hat, dass er sogar für eine Weile im Krankenhaus lag, weil sie sich gegenseitig Pflastersteine an den Kopf geworfen hatten. Besoffen natürlich, denn die meisten dieser Männer leben praktisch im "Shebeen", der hiesigen Saufkneipe.
Unnötig zu sagen, dass wir weder "garden boy" noch Fahrrad je wiedergesehen haben.
Und so geht es eigentlich immer weiter. Reicht man den kleinen Finger, wird am liebsten gleich der ganze Arm abgerissen. Letztes Beispiel: Unsere Maid, die still und heimlich alles Mögliche hat mitgehen lassen, während sie jahrelang bei uns gearbeitet hat, von Klobürsten über DVDs bis zu einer Videokamera. Sie hat bei uns mehr verdient als sonst jeder andere zahlt, sie hatte bequeme Arbeitszeiten, bequeme Arbeitsbedingungen, Sozialversicherung (eine Ausnahme für "Domestic Worker". Die meisten Arbeitgeber sind nicht so großzügig), Essen, Kredite, sobald sie Geld brauchte, ob nun für die Beerdigung ihres Freundes oder das Schulgeld ihrer Kinder. Durch uns hatte sie TV, Kühlschrank, ein eigenes Haus, jegliche Sicherheit.
Aber das bedeutet alles nichts. Die Weißen haben's ja, also nehmen wir es doch. Dass sie dadurch ihren eigenen Job zerstören, ihr eigenes Leben, das kommt ihnen nicht in den Sinn. Oder dass es vielleicht besser ist, einen Arbeitgeber zu haben, der einem vertraut. Von dem man immer wieder profitieren kann, weil er nett ist und einen unterstützt, auch wenn es über den reinen Verdienst hinausgeht.
Jedenfalls haben wir jetzt beschlossen, keine Hausangestellten mehr zu haben, das ist einfach zu viel Stress und auf die Dauer zu teuer, auch wenn sie pro Stunde wesentlich weniger verdienen als in Europa. Man weiß nie, was noch an seinem Platz ist, die Arbeit ist auch eher nebensächlich. Man kann ein Haus oder einen Garten auch dreckig und ungepflegt hinterlassen, Dinge zerstören, ob man nun einfach einen Rosenbusch herausreißt oder eine teure Vase zerdeppert, der Arbeitgeber ist ja so dumm und bezahlt einen trotzdem.
Ich weiß nicht, woher diese Einstellung kommt, aber sie trägt sehr zur Arbeitslosigkeit in diesem Land bei. Das Allertollste haben wir kürzlich mit unserem letzten "garden boy" erlebt. Obwohl wir ihn außergewöhnlich gut bezahlt hatten, stand er plötzlich mit der Polizei bei uns vor der Tür und wollte, dass wir ihm ein Auto kaufen. Selbst die Polizei hat darüber gelacht, aber da er ihnen erzählt hatte, wir hätten ihn nicht für seine Arbeit bezahlt und da er sehr penetrant sein kann, sind sie dann doch gekommen.
Wenn man jedoch so etwas erlebt, fragt man sich, ob solchen Menschen überhaupt zu helfen ist. Und dann kommt einem wieder in den Sinn, wie viel Entwicklungshilfe in Länder wie Namibia fließt und wie wenig das nützt.
Es ist wirklich schade. Man könnte so viel tun. Aber nach solchen Erfahrungen sind viele dann abgeschreckt. Ich kümmere mich jetzt nur noch um Kinder, weil bei ihnen eventuell eine Chance besteht, dass sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen können. Das hoffe ich zumindest.