icke72 hat geschrieben:...Aber mal ne Frage an homerbundy, lebst du noch in California? Wirst du dich jemals wie ein waschechter Amerikaner fühlen??
Gute Frage...
Ja, ich leb' noch in Kalifornien und hab' auch nicht die Absicht, das nochmal zu ändern.
Nur stellt sich halt generell die Frage, wie sich ein waschechter Amerikaner so fühlt...
Es gibt unter uns Zugereisten so ein weit verbreitetes Phänomen, dass sich manche davon als "bessere Amerikaner" fühlen. Das wird mir auch immer wieder in diversen Foren vorgeworfen, wenn irgendwer mit Vorurteilen und Stereotypen um sich wirft und ich dann was dagegen schreibe.
Ich weiss aber ehrlich gesagt gar nicht, wie sich ein waschechter Amerikaner fühlt. Ich weiss ja nicht einmal, wie sich ein waschechter Österreicher fühlt - oder sich fühlen sollte. Ich bin zufällig in Österreich geboren und bewusst in die USA ausgewandert. Natürlich fühle ich mich daher meiner neuen Heimat entsprechend emotional nahe. Sonst hätte ich ja gar nicht herziehen brauchen.
Wenn's mir hier nicht besser gefallen würde, wär' ich einfach in Österreich geblieben. Hätt's mir woanders besser gefallen, wär' ich dorthin gezogen.
Da's mir aber nun einmal hier am besten gefällt und ich mich hier "daheim" fühle, empfinde ich auch lokalpatriotische Gefühle und vertrete meine Meinungen und Ansichten entsprechend auch nach aussen.
Meine Frau ist zBsp. in Florida geboren, hat dann hauptsächlich in anderen Staaten (auch drei Jahre lang in Deutschland) gelebt und fühlt sich dennoch auch am meisten hier daheim. Ihre Eltern kamen aus Norwegen (haben sich erst in den USA getroffen).
So, nun hat sie also zBsp. Norwegen nie gesehen, fühlt sich aber schon auch ihren Wurzeln irgendwie emotional verpflichtet. In unserer Küche hängt zBsp. ein Schild "You can always tell a Norsk, but you can't tell them much".
Naja, ich gleube ehrlich gesagt nicht, dass man sie als Norwegerin eindeutig erkennen könnte, aber ja, viel reindrücken lässt sie sich nicht
Für unsere Garage hab' ich dafür ein Schild "Parking for Austrians only" besorgt. Damit ist mein Bedarf an Statement aber schon erfüllt.
In erster Linie sind wir jetzt Kalifornier und in zweiter Linie eben mit irgendwelchen Verwurzelungen nach anderswo.
Die Grossmutter meines Geschäftspartner und guten Freundes in Chicago stammte auch aus Österreich. Seine ganze Familie liebt Österreich. Zur Zeit sind ein Sohn und dessen bester Freund in Wien und wohnen dort in meiner alten Wohnung. Im Oktober Fliegen mein Freund und seine Frau für ein paar Wochen rüber. Beides "waschechte" Amerikaner (seine Frau hat irisch/polnische Anstammung) und trotzdem fühlen sie sich beide zuerst Amerika, dann Österreich und dann den divesen anderen Wurzeln emotional verpflichtet.
Wie sich das im täglichen Leben auswirkt, kann verschiedene Schattierungen haben und hängt immer von der einzelnen Person ab.
Tatsache ist, dass mann weder als Deutscher noch als Österreicher "gezwungen" ist, irgendwo hin auszuwandern. Man macht das freiwillig und daher sollte man seiner neuen Heimat eben auch den entsprechenden Respekt und die Dankbarkeit gegenüberbringen, dass man dort leben kann, wo man offensichtlich leben will.
Wenn man in ein anderes Land zieht und dann dort andauernd herummault wie toll es doch in der "Heimat" war, wie dumm die oder eigenartig die Leute vor Ort, die Gesetze, Bestimmungen, die Sprache, die manche Ausdrücke, o.ä. sind, usw. dann solte man eben heim- oder weiter ziehen. Dann hat man eben seine eigentliche Heimat irrtümlich verlassen, oder einfach noch nicht gefunden.
Ich bin schon als Baby in die USA gekommen und erst kurz vor Schulantritt wieder nach Österreich. Ich musste erst richtig Deutsch lernen und deshalb erkennt mich auch niemand so ohne weiteres hier als "Ausländer". Trotzdem sage ich immer wieder bei neuen Bekanntschaften dazu, dass ich aus Österreich bin. Nicht weil ich so unfassbar stolz darauf bin, zufällig dort geboren zu sein, sondern einfach weil's halt so ist.
Das macht mich nicht besser oder schlechter als jemanden der in New York, Berlin oder Sidney geboren wurde. Niemand hat als Fötus grossartig zur Auswahl seines Geburtsorts beigetragen, Deshalb seh' ich auch nicht, warum man da besonders stolz drauf sein kann oder sollte.
Meine Eltern stammen aus der Tschechoslowakei und Österreich, gezeugt wurde ich in Jugoslawien, geboren in Wien, aufgewachsen bin ich in Österreich und den USA, aber meine ersten Worte hab ich in Vancouver gesagt. Die meisten Mitglieder meiner Familie leben in Deutschland und den USA, aber es gibt auch welche in Schweden, Tschechien, Südafrika und England - und aktuell sogar in Saudi-Arabien.
Zugeheiratete Verwandte gibt's dann noch aus dem Libanon, Marokko, aus Frankreich und wieder den USA.
In unserer Familie gibt's Katholiken, Protestanten, Baptisten, Moslems und Juden. Und bislang haben wir uns weder gegenseitig umgebracht, noch gröbere Differenzen gehabt.
Soweit ich das überblicke, fühlt sich jeder seinem Geburtsort und dem Ort wo er/sie aufgewachsen ist emotional nahestehend- auch der Religion, soweit wer religiös ist. Aber was viel mehr zählt als der Geburtsort oder wie man meint seinen Gott nennen zu müssen, zählt wie der jeweilige Mensch ist. Da tut dann der jeweilige Akzent und nicht einmal die Sprache grossartig etwas zur Sache.
Gut, das ist natürlich innerhalb der Familie so und was da superakzeptabel ist, muss noch lange nicht im Umgang mit anderen Leuten probat sein. Würde ich hier bei jedem Supermarkeinkauf darauf bestehen, dass eine Kielbassa bitte Klobasse zu heissen hat, o.ä., würde ich damit erstens nichts erreichen und zweitens auch nur seltsam angeschaut werden - und das zu Recht.
Es hat nichts mit einer Einbusse an Stolz zu tun, wenn ich statt Käsekrainern einfach Chesee-Brats bestelle, oder statt einem Leberkäs' eben einen Veal-Meatloaf.
Mir bricht ja auch kein Zacken aus der Krone, wenn ich irgendwo in deutschen Landen statt einem Obi g'spritzt, eine Apfelschorle ordere.
Dafür muss ich noch lange nicht meine Herkunft verleugnen und es bedeutet auch nicht, dass ich mich dem lokalen Sprachgebrauch gegenüber in den Staub werfe. Es vereinfacht eben die Kommunikation und es zeigt, dass ich meinen Gastgebern gegenüber etwas Respekt zeige.
Trotzdem werde ick noch lange nich mit Berliner Schnautze zu reden versuchen, weil's eben auch nicht notwendig ist. Das eine oder andere lokal gebräuchlichere Vokabel reicht mit Sicherheit jedem als Mittel zur besseren Kommunikation. Das wird wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Anbiedern und versuchen einen Dialekt nachzuäffen, kann hingegen durchaus als das Gegenteil aufgefasst werden und ist ggf. mindestens ebenso kontraproduktiv, wie wenn man versucht, den Leuten vor Ort aus falsch verstandenem Stolz irgendwelche anderen Ausdrücke reinzuwürgen.
Aber um noch einmal auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen:
Unter den Amerikanern gibt's genau solche Resentiments untereinander, wie zBsp. zwischen Bayerm Sachsen, Ostpreussen, etc. Da wird gerne aufeinander herumgehackt, sich gegenseitig aufgezogen, usw.
Aber was nahezu alle US-Amerikaner vebindet ist nun einmal, dass die überwiegende Mehrheit freiwillig hier ist. (die bekannten Ausnahmen ausgenommen)
Aber trotz aller internen Resentiments - Wehe, wehe, wenn irgendwer von ausserhalb etwas gegen die USA sagt oder gar macht. Dann stehen alle zusammen. Und ja, da stehe ich auch dazu. Wenn's das ist was das Denken eines waschechten Amerikaners ausmacht, dann denke ich eben auch so.
Wobei das auch genauso mit Österreich (siehe Waldheim-Wahl) oder Deutschland funktioniert - oder sicher so ziemlich jedem anderen Land...
