Mal ganz anders Ausgewandert...

"Also wo sich jeder Neuankömmling kurz vorstellen kann und seine Beweggründe kundtut weswegen er da ist und was er/sie sich verspricht"

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telegraph-hill
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Mal ganz anders Ausgewandert...

Beitrag: # 21845Beitrag telegraph-hill »

Hallo in die Runde,
Meistens ist es ja so, dass der Wunsch des Auswanderns schon länger in einem Verankert ist und man anfängt zu träumen und vielleicht auch Pläne zu schmieden. Bei mir war es komplett anders rum. Auswanderungspläne hatte ich eigentlich nicht aber eine menge Probleme 2003. Schulden bis zum Anschlag, eine verkorkste Ehe, Aggressive Behörden die nur noch gegen die Bürger handeln und um mich herum mehr eine geknickte Atmosphäre. In dem Zustand der Verzweiflung habe ich dem Schöpfer virtuell mal richtig in den Arsch getreten und Ihn gefragt ob er wirklich beabsichtige mich schon bald auf einer Wolke halleluja singend an Ihm vorbeischwirren zu sehen. Dies hat er aber energisch verneint und mich erst mal an ein paar Bücher herangeführt die mich Seelisch erst mal stabilisierten. Danach konnte ich mich auch erst mal meiner neuen Arbeit widmen die ich im Januar angenommen habe. Nur wie sollte ich meine privaten und finanziellen Probleme in den Griff bekommen? Das habe ich dann auch mein Unterbewußtsein gefragt und dies hat mir an einem bestimmten Tag im Sommer eindeutig und unmißverständlich gesagt, dass ich nach England auswandern soll. England? Das Land des schlechten Essens und des Dauerregens? Nun ich muss dabei sage, dass ich für mehr als 3 Monate mir die Grafschaft Devon in Ruhe anschauen durfte da ich hier beruflich zu tun hatte. Und insgesamt fand ich Exeter und die Gegend Drumherum ganz ansprechend. Da ich überhaupt nichts verlieren sondern nur Gewinnen konnte fand ich den Gedanken nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr so abwegig. Zumal konnte ich mich davon überzeugen konnte, dass das Wetter dort überhaupt nicht durchgehend regnerisch war und die Auswahl an Lebensmitteln bei Tesco oder Sainsbury sogar noch reichhaltiger ist als in Deutschland. Gut wir hatten den Jahrhundertsommer 2003 aber während Deutschland schwitzte konnte ich bei 25 Grad die vielen kleinen Buchten und Strände genießen. Aber von irgendwas muss man ja auch leben. Also fragte ich nach einem Job da ich durch meine Arbeit schon Kontakte geknüpft hatte. Und siehe da im Oktober und langen 2 Monaten der Unsicherheit bekam ich einen Arbeitsvertrag zugeschickt und im Dezember 2003 hat mich die Spedition nach dem Abladen mit 120 Kisten alleine gelassen. Das Haus fand ich übrigens sehr schnell und liegt in einem kleinen Tal mit Bächen und Flüssen, einem kleine Pup sowie Postoffice. Nach dem ich es mir angesehen habe war eigentlich sofort alles klar und die Vermietung kam ruck zuck zu Stande.

Und so saß ich dann da ganz alleine in einem fremden Land vor einem Berg von Kisten in einem kleinen Cottage. Und das soll nun die Antwort auf all meine Probleme sein fragt ich meinen Schöpfer noch mal? Ja, genau das. Nun nach nunmehr fast 5 Jahren muss ich Ihm recht geben. Man lernt soviel über seine (Deutschen) Eigenheiten und das andere Länder Dinge halt anders machen. Man lernt Toleranz aber auch, dass es in anderen Teilen der EU weitaus relaxter zugeht und der Zugewinn an Lebensqualität durch nichts zu ersetzen ist. Du lernst die Unterschiede von Finanzsystemen und manche kulinarischen Genüsse in Deutschland zu vermissen. Oder die Tatsache, dass die Deutschen kritisieren müssen um Dinge zu Perfektionieren. Das andere Länder viel von anderen Kopieren aber nie an das Original drankommen werden und trotzdem einen gesunden Stolz besitzen. Das es den Deutschen auch gut tun würde mal wieder etwas mehr auf sich zuhalten anstatt nur den Kopf in den Sand zu stecken und sich nicht zu wehren. Das ein so genanntes Gemeinschaftsgefühl in Bezug auf eine allgemeine Unzufriedenheit auch sehr negativ sein kann. Das man Dinge auch sehr viel entspannter angehen kann und trotzdem zum Erfolg kommt. Und vor allem das Demokratie hier noch Aktiv gelebt wird und man sein lokales Umfeld aktiv mitgestalten kann. Ich könnte die Liste jetzt noch endlos weiterführen aber ich denke das sind individuelle Erfahrungen.
Meine Probleme habe ich damals natürlich auch mitgebracht. Die läßt man nicht zu Hause. Allerdings waren sie an einem schönen Strand wesentlich besser zu verdauen als in meiner ehemaligen Wohngegend.

Im Frühjahr nächsten Jahres werde ich meinen Job hier in Exeter verlieren da der Vertrag mit meiner Firma nicht verlängert wird und ich eigentlich bei den „Rückwanderern“ vorsprechen müßte :-). Allerdings habe ich mich so an das Leben hier gewöhnt, dass ich eher dazu tendiere hier zu bleiben und mir eine (vielleicht schlechter bezahlte) Arbeit zu suchen. Nach Deutschland zieht mich und meine Partnerin (die vor 2 Jahren meinen Spuren gefolgt ist) im Moment nichts, verfolge aber immer noch gespannt die Nachrichten aus der alten Heimat. Deutschland ist leider noch recht Stimmgewaltig in der EU und die sorgt weiterhin für Unmut hier auf den Inseln.

Aber noch ist nichts entschieden und die Möglichkeiten sind Unendlich. Von Australien über Neuseeland (beides doch recht weit vom Schuß gerade wenn man noch Eltern hat) über Dublin nach Kanada gibt es viele Möglichkeiten und ich bin gespannt wo ich in einem Jahr sein werde. Wenn es immer noch in dieser Grafschaft sein sollte dann werde ich auch zufrieden sein. Stoff für ein Buch oder Film beinhaltet die ganze Sache sowieso  Aber wir haben ja „all the time in the world“

Greez,
Oli
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Jupp
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Beitrag: # 21853Beitrag Jupp »

Herzlich willkommen und vielen Dank für den interessanten Einblick in Deine Geschichte!

Manchmal hat man eben nichts mehr zu verlieren und dann kann die "Flucht" nach Vorn durchaus die Lösung sein.

Was Dein derzeitiges Domizil angeht, das hört sich ja sehr nett an, so richtig Rosamunde Pilcher mäßig ;-)

Wollen mal hoffen, daß Du bald was neues zu arbeiten findest. Damit Du nicht so bald die Kisten wieder packen mußt...
Auswandern? Eher nicht, aber ein Altersruhesitz irgendwo im Nirgendwo?
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telegraph-hill
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Rosamunde Pilcher...

Beitrag: # 21872Beitrag telegraph-hill »

Hi Jupp,
richtig, hier ist das Land von Rosamunde Pilcher. viele Geschichten spielen in Cornwall und in Devon und den einen oder anderen Platz hat meine Partnerin in den Filmen auch wiedererkannt. Landschaftlich ist das ein Traum aber kein Typisches deutsches Auswanderungsziel. Ich bin allerdings nicht besonders traurig deswegen :-). In vielleicht 10 Jahren freue ich mich auf jeden Fall auf Neuseeland. Landschaftlich und Gesellschaftlich ähnlich mit noch etwas höheren Temperaturen :-)
Aber wer weiss wo das Leben mich noch hin verschlagen wird.

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Cheers,
Oliver

Den Telegraph Hill gibt es nicht nur in LA sondern auch hier in Exeter. Daher mein Nick...
rabiene
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Beitrag: # 21873Beitrag rabiene »

Willkommen im Forum :D
telegraph-hill
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Beitrag: # 21879Beitrag telegraph-hill »

rabiene hat geschrieben:Willkommen im Forum :D
Vielen Dank, wo hat es Dich denn in die USA verschlagen?

Cheers,
Oli
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